Alpe Adria-Radweg (19.-21. Mai 2024)
18.5.2024 – Anreise
Die nächste Mehrtagestour führt uns nach Italien. Auf dem Programm steht der Alpe Adria Radweg, auf italienisch „Ciclovia Alpe Adria“, und zwar das Teilstück in Italien, von Villach bis Grado. Wir haben dafür die „Luxusvariante“ gewählt und über ein Reisebüro gebucht, mit Hotelübernachtung, Gepäcktransport und Leihrädern. Dafür haben wir die ursprünglich vorgesehenen vier Tagesetappen auf drei verkürzt. Was das bedeutet, wird uns erst am ersten Tag unserer Tour klar werden. Wir – das sind meine Frau Ulli und ich. Die Wettervorhersage verspricht zwei Tage Sonnenschein, am dritten Tag allerdings ist Regen angesagt. Na ja – schauen wir mal, wie das werden wird.
Es ist das Pfingstwochenende, und als wir am Samstag mit dem Zug von Wien nach Villach starten, sind die Waggons entsprechend gut gefüllt. Es gibt Schwierigkeiten mit dem Sitzplatz. Die Zugausstattung wurde geändert, erklärt uns der Zugbegleiter, wir sitzen in einer alten Garnitur, da gibt es anstelle von vier Plätzen in unserem Abteil nur drei, dafür aber eine Art Ablage. Die ist wenig hilfreich, wenn dafür mein Platz weg ist. Alle anderen Sitzplätze sind reserviert. Ich suche mir einen freien Platz in der 1. Klasse. Dort diskutiere ich später mit dem Schaffner, der wenig Verständnis für mein Upgrade hat. „Wenn das ein jeder machen würde.“ Aber ich habe einen reservierten Sitzplatz, den es nicht mehr gibt, und in der 2. Klasse gibt es mittlerweile wohl überhaupt keine Sitzplätze mehr, und weigere mich beharrlich, die 1. Klasse zu verlassen oder den erforderlichen einen Aufpreis zu bezahlen. Um des Friedens willen lässt er mich sitzen, bis in Leoben zwei Fahrgäste aus unserem Abteil aussteigen und ich in die 2. Klasse wechsle. Damit ist die Ordnung wiederhergestellt, der Schaffner zufrieden, wir auch und die restliche Anreise nach Villach verläuft ohne Probleme und als angenehme Zugfahrt.
Während dieses Ungemachs erfahre ich vom Zugbegleiter, das beinahe zeitgleich ein weiterer Zug nach Villach fährt, der zwar eine halbe Stunde länger braucht, dafür aber fast leer ist. Unabhängig von der Sinnhaftigkeit werde ich mir das mit dem zweiten Zug merken. Allerdings – als ich das ein halbes Jahr später brauche, ist von einem zweiten Zug keine Spur. Also entweder waren das fake news oder die ÖBB hat erkannt, dass es nicht klug ist, zwei Züge beinahe zeitgleich auf die Strecke zu schicken, und ihn gestrichen.
Wie dem auch sei – gegen Mittag kommen wir in Villach an. Das Hotel ist bahnhofsnah, das Zimmer aber noch nicht bezugsfertig. Die Ausgabestelle, an der wir unsere Leihräder bekommen sollten, hat geschlossen, eine Info über die Öffnungszeiten suchen wir vergeblich. Angesichts mangelnder anderer Alternativen machen wir uns auf den Weg zu einer Sightseeing-Tour in die Villacher Innenstadt. Ein eher bescheidenes Vergnügen, da jenseits des Hauptplatzes die Stadt unter ähnlichen Problemen zu leiden scheint wie andere Orte. Viel Leerstand an Geschäftslokalen und ein Angebot an kleinen Geschäften, das zusehends auseinander– und zusammenbricht.
Trotzdem genießen wir den Spaziergang, nach über vier Stunden Sitzen im Zug eine Wohltat, gönnen uns zwischendurch eine Pause mit Kaffee und Torte, bevor wir am Nachmittag wieder ins Hotel zurückkehren. Dort sind die Zimmer mittlerweile bezugsfertig. Wir erhalten auch genaue Anweisungen zur Versorgung der Räder – die wir noch nicht haben – und wo und bis wann wir unser Gepäck am kommenden Morgen deponieren müssen, damit es auch gewissenhaft zum nächsten Hotel transportiert wird.
Mit Infos vollgestopft machen wir uns gleich auf den Weg, um unsere Leihräder zu holen. Das funktioniert problemlos, weil die Verleihstelle inzwischen geöffnet hat. Kurze Probefahrt – alles scheint in Ordnung, kurze Einweisung, dann fahren wir zum Hotel zurück, verstauen die Räder in einer dafür vorgesehenen Garage und beziehen unsere Zimmer. Die einzige Frage, die noch offen bleibt, ist die nach unserer Unterkunft am nächsten Tag. Da klafft zwischen Reiseplan und Hoteladresse eine Lücke von etwa 60 Kilometern, die auch der junge Mann bei der Fahrradausgabe nicht schließen konnte. Nach einigem Hin und Her erkennen wir schließlich, dass die beiden Etappen Villach – Tarvis und Tarvis – Venzone zusammengelegt wurden und uns am nächsten Tag somit eine Strecke von etwa 90 Kilometer bevorsteht. Na ja – macht nichts, immerhin haben wir die sportliche Variante selbst gewählt.
Dafür beschließen wir den Tag mit einem Abendessen im Gastgarten des Villacher Brauhofs, der gleich gegenüber dem Hotel liegt. Dort füllen wir unsere Kohlehydratspeicher noch einmal ordentlich auf und sorgen mit ein paar Bier dafür, dass wir nicht dehydrieren. Schließlich gehen wir gut gelaunt, voll motiviert und voller Vorfreude auf die kommenden Ereignisse zurück ins Hotel und lassen den Tag vor dem Fernsehen ausklingen.
1. Etappe (Sonntag, 19.5.)
Von Villach nach Venzone – 91 Kilometer, Fahrzeit ca. 5 Stunden, 30 Minuten
Um 08.30 Uhr fahren wir nach einem reichhaltigen Frühstück ab. Das Wetter ist sonnig und schön, die Motivation immer noch hoch – los geht’s.
Das Hotel liegt nahe der Drau, wo wir direkt in den Alpe Adria Radweg einsteigen, der uns ab jetzt mit seiner Abkürzung CAAR (für Ciclovia Alpe Adria Radweg) durch Oberitalien begleiten wird. Wir folgen der Drau etwa fünf Kilometer durch die Stadt, bevor der Weg zur Gail hin abzweigt. Nun fahren wir eine Weile an diesem Fluss entlang, verlassen ihn bei Erlendorf und kommen dann auf die B 83, an dessen Seite der Radweg wenig attraktiv und in ständigem leichten Bergauf über Arnoldstein bis zur Grenze bei Thörl-Maglern führt. Angesichts der frühen Stunde ist noch wenig los, doch nun, nach den ersten 25 Kilometern, füllt sich der Radweg langsam in beiden Richtungen.
- Drautal-Radweg in Villach
- Wegweiser – wohin jetzt?
- Drautal-Radweg
Am Grenzübergang bleiben wir für ein paar Fotos stehen. Auf dem Parkplatz an der Grenze macht sich eine größere Gruppe Radfahrer abfahrbereit. Wir wissen zwar nicht, wohin und in welche Richtung sie wollen, aber allein die Aussicht, etwa 15 Biker vor uns zu haben, lässt uns schnell weiterfahren. Nach dem Grenzübergang geht es zunächst noch einmal in eine Bergetappe, was mit den Tourenrädern überraschend gut geht. Eigentlich – so dachte ich mir – sollten wir von der Grenze weg nur noch bergab radeln. Da habe ich mich getäuscht. Die nächsten zehn Kilometer geht es in leichtem Bergauf und Bergab bis nach Tarvis. Hätten wir die gemütliche Alpe Adria-Tour gebucht, wären wir schon am Tagesziel – und es ist noch nicht einmal Mittag.
- unsere Räder
- Grenzübergang
- großartiges Panorama
Auf Sightseeing in Tarvis verzichten wir, immerhin haben wir noch ein gutes Stück Weg vor uns. Wir fahren nun durch eine schroffe Gebirgslandschaft. Links neben uns verläuft die Strada Statale 13, auf der nur wenig Verkehrsaufkommen ist, darunter die Autostrada 23. Noch weiter unten fließt behäbig der Tagliamento, mit seinen weißen Schotterbänken. Auf der gegenüberliegenden Flussseite ragen die steilen Berge der Grenzregion zu Slowenien auf.
Ab Tarvis geht es nun aber tatsächlich stets bergab. Die nächsten 50 Kilometer folgen wir einer alten Eisenbahntrasse, der ehemaligen Pontebbana-Bahnstrecke durch das Kanaltal. Das ist wohl einer der schönsten Abschnitte auf dem Alpe Adria Radweg. Gut ausgebaut führt der Radweg hier durch viele Tunnels, über alte Stahlbrücken, vorbei an verlassenen Bahnhöfen und Streckenwärterhäuschen. Entsprechend seiner Attraktivität nimmt auf diesem Abschnitt auch der Verkehr deutlich zu, nicht nur auf der A 23, die uns durch das Tal begleitet. Rennradfahrer tummeln sich auf dem Radweg jetzt genauso wie Tagesausflügler oder Radreisende wie wir, mit oder ohne E-Bike. Am ehemaligen Bahnhof von Chiusaforte, jetzt ein Gasthaus und beliebte Radlerraststation, fahren wir ohne Halt vorbei. Zum einen, weil wir dem dort herrschenden Trubel ausweichen wollen, zum anderen, weil es gerade so schön bergab läuft. Die alten Tunnel, durch die wir kommen – teilweise mehrere hundert Meter lang –, sind zwar meist beleuchtet, ein bisschen Zusatzlicht würde aber nicht schaden. Das Licht auf meinem Rad geht zwar, leuchtet aber in die Unendlichkeit und nicht auf die Fahrbahn. Eine Reparatur ist mangels Werkzeug und Zeit nicht drin, deshalb fahre ich durch einige der Tunnels fast im Blindflug und hoffe, dass mir nichts passiert. Ulli hat mit ihrem Radlicht mehr Glück und weniger Sichtprobleme.
- alter Bahnhof
- wieder ein Tunnel
- alte Eisenbahnbrücke
Irgendwo machen wir dann an einem ruhigen Plätzchen eine Rast, essen jeder einen Apfel und genießen die Aussicht auf die umliegende Bergwelt. Angesichts der Tagesetappe von 90 Kilometern bleibt das unsere einzige längere Pause. Schnell geht es weiter, bis der Weg von der Eisenbahntrasse bei Moggio Udinese wieder zu einem „normalen“ Radweg wird. Die letzten Kilometer bis zu unserem Hotel kurz vor Venzone geht es dann durch verbautes Gebiet, einmal verfahren wir uns, aber schließlich kommen wir nach über sechs Stunden am Ende unserer ersten Etappe an.
Das Hotel liegt unglücklicherweise direkt an der SS 13 (beim nächsten Mal würden wir die wenigen Kilometer bis Venzone weiterfahren und dort ein Zimmer suchen). Essen gibt es erst am Abend, aber Bier und Radler bekommen wir problemlos, genauso wie Kaffee und Kuchen, um den größten Hunger zu stillen.
Die 90 Kilometer spüren wir zum Glück kaum, weil der Großteil der Strecke bergab gegangen ist. Trotzdem lassen wir uns Bier und Radler und Espresso schmecken, bevor wir ins Zimmer hinaufgehen. Unser Gepäck ist auch bereits eingetroffen. Also, alles in Ordnung. Schnell noch einen Tisch im hoteleigenen Restaurant für das Abendessen reservieren, dann ins Zimmer, unter die Dusche, ein bisschen Rasten und Siesta, bevor es dann zum Abendessen geht. Das ist gut, der Wein ebenfalls, wir sind zufrieden und blicken voll freudiger Erwartung auf unsere morgige Etappe.
2. Etappe (Montag, 20.5.)
Von Venzone nach Udine – 58 Kilometer, Fahrzeit ca. 5 Stunden
Nach einer überraschend ruhigen Nacht und einem üppigen Frühstück fahren wir wieder los. Das Wetter ist so herrlich wie gestern. Sonnig, aber nicht heiß, ideales Radlerwetter. Von unserem Hotel an der SS 13 geht es zunächst wenig einladend entlang der Hauptstraße nach Venzone. Da der Tag noch jung ist, unsere Motivation hoch und die heutige Etappe überschaubar, machen wir einen kurzen Abstecher nach Venzone. Wir cruisen mit dem Rad durch den Ort, auch eine neue Erfahrung, weil wir bisher Sightseeing ausschließlich zu Fuß gemacht haben. Ab und zu bleiben wir stehen, um ein Foto zu schießen. Da es früh am Vormittag ist, gestaltet sich das Leben in Venzone beschaulich und ruhig. Römische Ruinen neben mittelalterlichen und alles zwischen neuzeitlichen Gebäuden. Eine seltsame architektonische Mischung, wie man sie meist nur in Italien findet. Dann geht es weiter.
- Venzone
- Venzone
- Venzone
Wir verlassen Venzone, biegen von der Hauptstraße ab und radeln über Nebenstraßen und Radwege durch das Friaul. Zunächst noch entlang des Tagliamento, dann aber durch eine herrlich beschauliche und ruhige Landschaft. Viel Gegend, viel zum Schauen. Kleine, nette Dörfer. Die größeren Städte lassen wir daher schnell hinter uns, um wieder in den Genuss des ruhigen Umlandes zu kommen. Aus diesem Grund verzichten wir auch auf die Besichtigung von Gemona del Friuli mit seinem Dom und der mittelalterlichen Altstadt – das heben wir uns für das nächste Mal auf.
Nach Gemona gibt es wieder viel Natur, Felder, Wiesen, kleine Wäldchen, herrliche italienische Landschaften, dazwischen vereinzelt Häuser, Bauernhöfe, kleine Dörfer und Städtchen mit viel italienischem Flair. Wir fahren durch Orte mit so klingenden Namen wie San Floreano, Vendoglio-Carvacco oder Felettano. Gemütlich geht es übers Land mit viel Schauwert, und es wird eine großartige Genusstour. War es gestern die alte Eisenbahntrasse durch das Kanaltal, begleitet von den Friauler Dolomiten, ist es jetzt die idyllische Landschaft des Friaul, die den Reiz der Tour ausmacht.
Wir genießen die Fahrt dermaßen, dass wir eigentlich kein Bedürfnis nach einer größeren Pause oder Einkehr haben. Nur einmal machen wir einen kurzen Stopp in einem Gasthaus und genehmigen uns einen Campari-Spritz. Und bevor wir uns versehen, befinden wir uns wieder in urbaner Umgebung. Industrie und große Firmen, Einkaufszentren, Straßen neben dem Radweg auf denen dichter Verkehr rollt.
- durch das Friaul
- durch das Friaul
- Udine
Und schon sind wir in Udine, befinden uns auf der Suche nach unserer Unterkunft, verfahren uns – natürlich – bevor wir sie finden, und dann sind wir am Ende unserer heutigen Etappe. Wir checken im Hotel ein, verstauen die Räder, das Gepäck ist bereits angekommen. Das Hotel liegt an der Piazzale Cella Gio Batta, einem großen, vielbefahrenen Kreisverkehr, das Zimmer geht auf den Platz hinaus, was viel Lärm und geschlossene Fenster in der Nacht erwarten lässt. Na ja – ist nur für eine Nacht.
Wir gehen duschen, ziehen uns um, und da es noch früh am Nachmittag ist, das Zentrum in fußläufiger Nähe, begeben wir uns auf eine touristische Entdeckungsreise in die Altstadt. Den restlichen Tag verbringen wir mit Sightseeing, Shopping, Essen und Trinken, bevor wir am frühen Abend satt und müde ins Hotel zurückkehren und nach einem schnellen Absacker aufs Zimmer gehen. Mal sehen, ob es eine gute Nacht wird und was der nächste Tag bringt.
3. Etappe (Dienstag, 21.5.)
Von Monfalcone nach Grado – 30 Kilometer, Fahrzeit ca. 2 Stunden 15 Minuten
Die Nacht verläuft unerwartet ruhig, was den Verkehr draußen auf der Piazzale Cella Gio Batta betrifft. Irgendwann ist es sogar möglich, das Fenster zu öffnen, ohne den Eindruck zu haben, die Autos würden direkt durchs Zimmer fahren. Soweit so gut.
Am Morgen regnet es – aber so richtig, nicht nur ein bisschen, es gießt in Strömen. Ratlosigkeit. Was tun? Beim Frühstück diskutieren wir die Optionen – viele sind es ohnehin nicht. Fahren oder Nichtfahren ist die Frage. Die heutige Etappe von Udine nach Grado ist etwa 50 Kilometer lang, rund drei Stunden Fahrt. Die Wetterprognose verheißt nicht viel Besserung. Also drei Stunden im Regen. Das müssen wir nicht unbedingt haben. Ich denke an meine letzte Fahrt im Regen und so, wie es da draußen gießt, hilft keine Regenkleidung, da sind wir in einer Stunde patschnass. Immer wieder der fragende Blick nach draußen, aber es wird nicht besser. Was wäre die Alternative? Mit dem Zug? Eine schnelle Nachschau auf dem Handy führt zu dem ernüchternden Ergebnis, dass es nach Grado keine Zugverbindung gibt. Was jetzt?
Nach dem Frühstück erkundigen wir uns an der Rezeption nach Möglichkeiten, mit öffentlichem Verkehr nach Grado zu kommen, und erhalten die Bestätigung unserer bereits gewonnenen Erkenntnis – kein Zug nach Grado, also auch kein Radtransport. Einzige Möglichkeit: mit der Bahn nach Monfalcone, dann umsteigen und weiter – genaugenommen zurück – nach Cervignano und dort auf dem CAAR bis nach Grado. Damit würden wir uns mehr als die Hälfte des Weges ersparen. Mangels anderer Alternativen entschließen wir uns für diese Variante. Besser zwanzig Kilometer im Regen als fünfzig.
Also – auschecken, abfahrbereit machen. Ich nehme nur leichte Regenkleidung, weil der Bahnhof nur knapp einen Kilometer vom Hotel entfernt ist. Dann mit Vollgas – eigentlich Volltritt – durch Regen und Frühverkehr zum Bahnhof. Dafür brauchen wir keine zehn Minuten, sind trotzdem aber bereits unangenehm nass. Der nächste Schritt ist Reiseroutine: Kartenkauf und die Suche nach dem richtigen Zug, der uns nach Monfalcone bringt. Ein Regionalzug fährt zeitnah, es gibt auch keine Probleme mit dem Radtransport. Und schon sitzen wir im Zug Richtung Osten und lassen auf uns zukommen, was der Tag weiter bringen mag. Der Zug fährt bis nach Triest und auf unserem Weg sind wir nicht die Einzigen, die angesichts des Regens ihre Reisepläne ändern und auf die Schiene verlegen. Der Abstellplatz für die Räder ist bald mit seiner Kapazität am Ende, und als wir in Monfalcone aussteigen, braucht es zuvor einer entsprechenden Schlichterei, bis wir unsere Fahrräder wiederhaben.
Inzwischen hat der Regen aufgehört. Die Straße beginnt aufzutrocknen. Die Wetterprognose ist durchwachsen – es soll unbeständig und regnerisch bleiben. Trotzdem entscheiden wir uns dafür, von Monfalcone nach Grado zu radeln. Es gibt sogar einen markierten Radweg, den Eurovelo 8, dem wir folgen können. Wir werden also vom Nordosten hinunter an die Küste und dort bis nach Grado fahren. Etwa 30 Kilometer. Wenn alles glatt läuft maximal zwei Stunden. Es ist jetzt 11 Uhr. Vielleicht haben wir Glück und es bleibt trocken. Also los.
Den Weg vom Bahnhof zum Eurovelo zu finden ist etwas mühsam, aber an einer Brücke über den Canale De Dottori, der sich durch die ganze Stadt zieht, sind wir dann auf dem richtigen Kurs. Jetzt gilt es nur noch, aufmerksam zu bleiben und sich nicht zu verfahren. Jede Minute im Trockenen ist kostbar. Nach der Stadt kommen wir schnell ins Marschland und das Mündungsdelta des Isonzo. Nur kurz schweifen meine Gedanken ab zur Isonzofront im 1. Weltkrieg, und wo hier Kämpfe stattgefunden haben könnten. Dann konzentriere ich mich wieder auf die Navigation. Der Himmel ist wolkenverhangen und trüb, manchmal beginnt es zu tröpfeln, zunächst bleibt das Wetter aber annehmbar. So können wir unsere Fahrt sogar genießen.
- regenfertig
- Naturreservat Isonzo
- Naturreservat Isonzo
Die Route führt durch weitgehend unberührte Natur, über flaches Land mit Feldern und einigen wenigen Häusern – meist Bauernhöfe –, an kleinen Flussläufen und Kanälen entlang, die die Gegend durchziehen. Später werden wir auf der Karte feststellen, dass uns der Weg durch ein Naturreservat am Isonzodelta führte. Aber zunächst genießen wir die einsame Fahrt durch die Natur – wären da nicht die forschenden Blicke zwischen düsterem Himmel und Navigations-App auf dem Handy.
Einmal beginnt es dann tatsächlich kurz zu regnen. Glücklicherweise finden wir eine Möglichkeit, uns unterzustellen, was in dieser weiten Landschaft ein Zufall ist. Als der Regen nachlässt, fahren wir weiter. Vielleicht haben wir Glück und kommen ohne größeren Regenzwischenfall bis nach Grado. Leider erfüllt sich diese Hoffnung nicht. Nach zwanzig Kilometern ist der Ofen aus – und der Himmel macht, was die Wettervorhersage schon vorhergesagt hat. Es beginnt zu regnen – und wieder mal richtig stark.
Wir sind gerade an einem Observatorium im Naturreservat vorbeigekommen, kehren kurzentschlossen um und suchen dort Schutz. Diese Beobachtungsstelle erweist sich als großer, einstöckiger Holzbau mit großartigem Ausblick auf das Küstenland bis hinaus zum Meer. Da wir die einzigen Leute hier sind – wer geht denn sonst bei diesem Wetter hierher zur Naturbeobachtung? -, breiten wir unser nasses Zeug zum Trocken aus und machen mal Pause, essen eine Kleinigkeit und genießen trotz Regen die Aussicht, die sich uns bietet.
Dann befragen wir alle verfügbaren elektronischen Wetterorakel – mit dem niederschmetternden Ergebnis: es bleibt nass. Wetterapp und Regenradar verheißen lediglich ein Nachlassen des Regens, etwas Besseres gibt es nicht. Nützt also alles Hoffen nichts. Ulli zieht sich die Regensachen an, ich begnüge mich mit der Regenjacke. Meine kurze Radlerhose ist sowieso schon nass. Und dann geht’s wieder weiter – wie in der Früh, voll in die Pedale für die letzten zehn Kilometer. Schnell sind wir aus dem Naturreservat draußen, der Radweg verläuft jetzt entlang einer Hauptstraße, vorbei an riesigen Ferienanlagen und durch kleine Vororte von Grado. Schon sehen wir die ersten Wegweiser. Denen folge ich, soweit es geht und der Radweg in die gewünschte Richtung führt. Schließlich kommen wir tatsächlich problemlos nach Grado.
Bei einer überdachten Tankstelle machen wir Halt und ich suche auf der Navi-App unser Hotel und den Weg dorthin. Hier ist alles schon touristisch ausgerichtet. Die Straße nach Grado auf der einen, ein Kanal mit einer Art Marina auf der anderen Seite. Entlang der Straße ein Hotel nach dem anderen. Auch unser Hotel ist nicht mehr weit entfernt. Höchstens fünf Minuten. Noch ein Stück geradeaus und dann nach links, vom Kanal weg. Wir radeln weiter im Regen, ein nochmaliger Stopp zur Wegfindung kann entfallen, weil wir eine Hinweistafel finden, die uns zum Hotel weist. Nach rund drei Stunden, die wir mit Regenunterbrechung für diese 30 Kilometer von Monfalcone nach Grado gebraucht haben, sind wir an unserem Ziel angelangt. Wir stehen nass und glücklich an der Rezeption und erhalten weitere Anweisungen: wo wir die Räder verstauen sollen und wie wir ins Zimmer kommen, ohne auf dem Weg dorthin alles mit unserem nassen Zeug vollzusabbern.
Als wir die Räder versorgen, kommt eine kleine Gruppe deutscher Pensionisten mit ihren E-Bikes an, trotz Regenbekleidung völlig durchnässt. Glückliche Radfahrer sehen anders aus. Diese Gruppe war mit uns heute Morgen im selben Hotel in Udine. So wie sie aussehen, sind sie von dort hierhergefahren. Und wenn ich sie mir so betrachte, denke ich, dass wir wohl doch die bessere Variante gewählt haben. Ich hätte zwar gerne die Städte Palmanova und Aquileia besichtigt, zwei Orte, auf die ich mich wirklich gefreut und auf die ich nur schweren Herzens verzichtet habe, aber eine Sightseeingtour dort im Regen ist auch keine verlockende Sache. Und es werden sich sicherlich noch andere Gelegenheiten ergeben, um diese Highlights unserer ursprünglich geplanten 3. Etappe zu sehen. Also – nicht der verpassten Chance nachweinen. Immerhin sind wir heute noch einmal mit einem blauen Regenauge davongekommen. Daher – ab ins Zimmer, raus aus den nassen Sachen und unter die heiße Dusche. Das Hotel ist eine der großen Touristenbuden, voll auf Sommergäste ausgerichtet – die Radler in der Vorsaison sind nur Beifang – mitten in der Stadt und umgeben von anderen Hotels, Restaurants und Lokalen, wie ein schneller Blick aus dem Fenster bestätigt. Flair sieht anders aus – aber auch egal. Das Zimmer passt, das Wasser in der Dusche ist heiß, vom Frühstück lassen wir uns überraschen, und morgen geht es ohnehin schon zurück.
- Grado
- Grado
- Grado
Nach einer Dusche und in trockener Kleidung sieht die Welt gleich wieder viel rosiger aus. Überrascht stellen wir fest, dass es aufgehört hat zu regnen und zwischen den dunklen Wolken schon einzelne blaue Flecken durchschimmern. Der Nachmittag steht uns noch zur Verfügung, also nichts wie raus zum Sightseeing. Zunächst mal auf einen Drink in einen Gastgarten vor einem Lokal am Hafen. Den genießen wir in aller Ruhe und beobachten die weitere Wetterentwicklung. Das kann sich noch nicht ganz dazu entschließen, schön zu werden. Ab und zu lässt sich jetzt zwar schon die Sonne blicken, aber immer wieder tröpfelt es und wir trauen dem Wettergott noch nicht ganz. Schließlich machen wir uns dann aber doch auf, um die Stadt zu erkunden.
Wir waren noch nie in Grado und laufen daher entsprechend neugierig durch die Stadt. Der Touristenansturm hält sich in Grenzen, viele der Leute, die wir sehen, sind vermutlich ebenso mit dem Rad unterwegs wie wir. Nachdem wir eine Zeit lang durch die Gassen und Straßen der Altstadt gestrolcht sind und die Strandpromenade entlang, kehrt langsam das Gefühl ein, alles gesehen zu haben, was es so im Vorbeigehen zu sehen gibt. Daher zieht es uns wieder zurück zum Hafen und den Tischen, die vor den Lokalen stehen. Wir suchen uns einen freien Platz, inzwischen scheint tatsächlich die Sonne warm auf unsere müden Glieder, und ordern als Aperitif mal zwei Campari-Spritz. Später essen wir eine Kleinigkeit, nehmen noch ein paar Drinks, und als die Sonne untergegangen ist und es deutlich kühler wird, machen wir uns auf den Rückweg zum Hotel. So klingt ein Tag, der mies begann und sich lange Zeit durchwachsen gezeigt hat, doch noch mit einem versöhnlichen Ende aus.
22.5.2024 – Heimreise
Die Rückreise gestaltet sich unspektakulär und problemlos. Nach einem ausgiebigen Frühstück werden wir mit einem Kleinbus abgeholt und nach Villach zum Bahnhof gebracht. Die Rückfahrt geht unattraktiv über die Autobahn durch eine Gegend, die wir in den Tagen zuvor mit dem Rad durchfahren sind – zumindest teilweise.
In Villach bleibt noch Zeit, bis unser Zug fährt. Während ich mich in ein Café setze und auf die Koffer Acht gebe, nutzt Ulli die Gelegenheit, um noch schnell durch die Stadt zu streifen. Dann geht es mit dem Zug zurück nach Hause, ohne Probleme mit der Reservierung.
Trotz des Regentages bei unserer 3. Etappe und der Programmänderung hat uns die Tour gefallen. Und vielleicht gibt es ja mal eine Wiederholung, und dann aber ohne Abstecher nach Monfalcone. Und vielleicht selbstorganisiert, mit den eigenen Rädern und anderen Etappen und … und … und …