4 Flüsse Tour (20.-23. August 2024)
Triesting – Gölsen – Traisen – Donau
Die Idee dazu kam mir vor einigen Jahren, nachdem wir mit Freunden, von Leobersdorf bis nach Kaumberg geradelt waren. Dort stellte ich beim Essen scherzhaft fest, dass wir noch über den Gerichtsberg bis nach Hainfeld weiterfahren könnten, und auf dem Gölsental-Radweg bis nach Traisen und von dort auf dem Traisental-Radweg bis an den Donau-Radweg und dann nach Wien und über den Eurovelo 9 zurück nach Traiskirchen. Etwa 200 Kilometer, schätzte ich. Die Idee kam als Witz gut an, sonst nicht. Aber – irgendwie mal im meinem Kopf, ließ mich der Gedanke nicht mehr los. Was mich allerdings von der Umsetzung abhielt, war die erschreckende Vorstellung, im Berufsverkehr – oder im Ausflüglerverkehr am Wochenende – über den Gerichtsberg radeln zu müssen. Daher vergaß ich diesen Plan bald wieder.
Aber die Idee blieb am Leben und irgendwann suchte ich nach alternativen Routen über den Gerichtsberg und entdeckte, dass der Triestingtal-Radweg nicht in Kaumberg endet, sondern an der Südseite des Gerichtsbergs weitergeht, sich dort mit dem Gölsental-Radweg vereint und es damit eine Verbindung über Ramsau bis nach Hainfeld gibt, die nicht auf der Bundesstraße über den Gerichtsberg verläuft. Ab diesem Zeitpunkt war klar, dass ich dieses Vorhaben realisieren würde. Die gesamte Strecke, die ich dann plante – die letzte Etappe allerdings nicht durch Wien auf dem Eurovelo 9, sondern über den Radweg in der Triestingau – hatte dann eine Distanz von etwa 230 Kilometer, die mir auf drei Tage verteilt gut bewältigbar schien. Dann ging es nur noch darum, einen geeigneten Zeitpunkt zu finden.
1. Etappe (Dienstag, 20.8.)
Von Traiskirchen nach Traisen; 80 Kilometer, Fahrzeit ca. 5 Stunden, 30 Minuten
Dieser geeignete Zeitpunkt kommt im August. Ich nehme mir drei Tage Urlaub und an einem Dienstag, um 10.00 Uhr, starte ich in die erste Etappe. Die Wettervorhersage ist gut, lediglich am Mittwoch soll das Wetter unbeständig werden, die Quartiere sind gebucht, die Motivation ist hoch. Also los. Auf dem Wiener Neustädter Kanal und dem Eurovelo 9 geht es auf bekannter Route bis nach Leobersdorf. Dort nach einer etwas mühsamen Ortsdurchfahrt im Triestingtal weiter.
- 4-Flüsse-Tour
- Wr. Neustädter Kanal
- Triestingtal-Radweg
Alles läuft super, kaum Radfahrerverkehr auf dem Weg, es ist ja unter der Woche, die ersten zwanzig Kilometer verfliegen wie nichts. Aber dann ist die Luft draußen – aus dem Reifen. Ein lauter Knall und wenige Sekunden später stehe ich auf der Felge des Hinterrads. Da bin ich in St. Veit/Triesting. Mein erster Patschen mit diesem Bike nach über 2000 Kilometern. Aber – keinen Ersatzschlauch, nichts zum Kleben. Fluchen und Verzweiflung nutzen alles nichts. Davon wird das Rad nicht ganz. Auf dem Handy suche ich nach einer Radwerkstätte, irgendwo wird es ja wohl so etwas geben. Gibt es tatsächlich, in Berndorf – fünf Kilometer weiter. Alles klar – wer sein Fahrrad liebt und so weiter.
Kurz nach zwölf komme ich nach Bendorf und stehe vor einem Fahrradgeschäft, das Mittagspause macht. Ich setze mich in den Gastgarten einer Konditorei gegenüber und warte bis das Geschäft um 14 Uhr wieder aufsperrt. Ich checke die Route. Rechne: wenn ich um 14.30 Uhr hier wegkomme, habe ich immer noch sechzig Kilometer vor mir. Zunächst nach Kaumberg, dann über die Hügel und schließlich nach Hainfeld, nach St. Veit/Gölsen, nach Taisen. Mindestens drei Stunden, denke ich. Und überlege, ob ich im Quartier anrufen soll, dass ich später komme. Nein – zunächst schau ich mal, wie es weiter läuft und sich das Zeitmanagement entwickelt.
Um 14 Uhr stehe ich schon vor dem Geschäft, als der Besitzer kommt (ich nehme an, dass es der Chef ist). Was ist das Problem? Ein Platter? Das ist schnell erledigt, verspricht er. Und hält Wort. Wo ich hin will?, fragte er, während er den Schlauch wechselt, mit Blick auf die Packtaschen, die ich abgenommen habe. Ich erkläre es ihm. Er nickt anerkennend. Schöne Runde, merkt er an und warnt mich vor dem Sonnenhang hinter Kaumberg, meine Route über den Gerichtsberg. Lange bergauf, eine echte Schinderei, erklärt er. Das ist mir im Augenblick aber egal. Ich will nur weiter.
Keine halbe Stunde später fahre ich wieder, mit einem Reserveschlauch im Gepäck und drei Stunden Zeitverlust. Und gebe Gas – also eigentlich Tritt. Die Fahrt zu genießen ist nicht drin. Fotostopp ebenso wenig. Ich kenn die Gegend sowieso, also kein Schaden. Pottenstein – Fahrafeld – Weissenbach – diese Orte bleiben schnell hinter mir. Erst in Kaumberg mache ich eine kurze Rast, trinke am Marktbrunnen auf dem Hauptplatz, fülle meine Flasche auf, und dann geht’s weiter.
Langsam steigt der Weg an, und dann steilt er auf. Etwas mehr als einen halben Kilometer lang. Ich starte zu schnell, irgendwann geht mir die Luft aus – diesmal aus der Lunge. Ich muss stehenbleiben, überlege kurz, das Rad zu schieben, aber das ist keine Option. Wegen dem Stolz und so. Ich lass mich doch nicht von so einem Berg unterkriegen. Als ich wieder einigermaßen bei Atem bin, fahre ich den Sonnenhang weiter hinauf, langsamer diesmal, und überraschenderweise ohne Probleme. Und ich Anfänger lerne, dass Bergfahren auch mit Fahrtechnik zusammenhängt und nicht nur mit Kondition und Beinmuskeln.
Nach dem ersten steilen Stück, flacht der Weg etwas ab, geht sogar kurz bergab, bevor er wieder ansteigt. Über sanfte Hügel fahre ich jetzt weiter, immer die nahe Araburg im Blick. Hätte ich mehr Zeit, könnte ich sogar einen Abstecher machen und die Burg besichtigen. Ist heute aber nicht drin.
- Triesting
- Sonnenhang mit Blick zur Araburg
- Radweg-Treffpunkt
Irgendwann bin ich am Ende des Triestingtal-Radwegs, der jetzt in den Gölsental-Radweg übergeht. Ich machte schnell ein paar Fotos, dann weiter – natürlich wieder bergauf. Doch auch das geht vorüber, und dann sehe ich – das war der letzte Anstieg, von nun an geht’s bergab. Und da lasse ich es laufen, was das Zeug, der Reifen und meine Nerven halten. Später werde ich auf der Garmin-App sehen, dass meine Höchstgeschwindigkeit hier 63,8 km/h betragen hat. Im Augenblick aber konzentriere ich mich darauf, bei der Abfahrt nicht die Kontrolle zu verlieren und checke immer wieder, ob der Hinterreifen in Ordnung ist.
Bis Ramsau bei Hainfeld fahre ich jetzt zügig hinunter, dann bin ich wieder auf einer stärker befahrenen Straße und muss mein Tempo drosseln. Es geht immer noch leicht bergab, und nach dem Dorf komme ich auf einen Radweg, der mich direkt bis nach Hainfeld bringt. Dort hätte ich eine kurze Rast geplant, um jenes Haus zu sehen, an dem 1888/89 der Einigungsparteitag der Sozialdemokraten stattfand und das dazugehörige Denkmal. Dafür ist jetzt aber keine Zeit. Trotzdem fahre ich durch die Stadt, um zumindest daran vorbeizuradeln. Abgesehen davon, ist das ehemalige Gasthaus Zehetner „Zum Goldenen Löwen“ bei den Kämpfen im April 1945 zerstört worden. 1959 wurde an dieser Stelle auf der Hauptstraße 29 ein Wohnhaus mit Eigentumswohnungen errichtet. Heute sind im Erdgeschoß ein Friseur, ein Blumengeschäft und ein Pizzalokal zu finden, sehe ich im Vorbeifahren.
Und schon bin ich aus Hainfeld draußen und wieder auf dem Gölsental-Radweg. Jetzt geht es noch einmal zügig dahin. Ungefähr 15 Kilometer bis nach Traisen, also kaum mehr eine Stunde. Trotzdem bleibt keine Zeit für Pausen oder zum Fotografieren. Gerne wäre ich auch ein bisschen durch St. Veit/Gölsen gecruist, die Stadt, aus der mein Vater kam, so wie meine Mutter aus dem benachbarten Wiesenfeld. Aber auch das erspare ich mir, angesichts des knappen Zeitbudgets.
Schließlich stehe ich kurz nach 17.00 Uhr vor meinem Hotel in Traisen und versuche Einlass zu bekommen. Rezeption gibt es nicht, und irgendetwas hat scheinbar mit der Kommunikation nicht geklappt. Die Schlüsselkarte, die in einem Safe an der Eingangstür sein sollte, ist nicht, da. Bei einer ausgehängten Telefonnummer geht niemand ran. Ich bin eine Weile ratlos und denke nach, was der Plan B wäre. Ich könnte mir eine andere Unterkunft in Traisen suchen – da gibt’s aber nicht viele Alternativen – oder meinen Bruder anrufen, die zehn Kilometer bis Wilhelmsburg weiterfahren und bei ihm schlafen. Beides erscheint mir nach den 80 Kilometern, die ich bereits hinter mir habe, nicht sehr attraktiv. Während ich die Optionen abwäge, klingelt das Telefon, ein Verantwortlicher des Hotels ist dran, ich erkläre ihm mein Problem, das für ihn offenbar keines ist. Einige Minuten später kommt er mit dem Auto an, organsiert mir meine Schlüsselkarte, weist mich ein, wo mein Zimmer ist, wo ich mein Rad abstellen kann, wo und wann es Frühstück gibt, und dass ich dann auch mein Zimmer bezahlen soll. Und schon ist er wieder weg.
Ich bringe das Rad in eine Fahrradgarage hinter dem Haus, nehme meine Packtaschen, und gehe auf mein Zimmer, das geräumig und gemütlich ist. Leider kann ich es nicht genießen, da ich seit dem Frühstück noch nichts gegessen habe. Das war im Zeitplan anders vorgesehen. Ich gehe Duschen, und suche auf dem Handy das nächste brauchbare Lokal, das ist etwa zehn Minuten mit dem Rad entfernt in Taisen. Nahe dem Traisental-Radweg finde ich den Gasthof Linko mit eigener Brauerei, das ist genau das, was ich jetzt brauche. Also auf dahin zum Abendessen.
Nach zwei Bier und einer deftigen Mahlzeit, man muss ja die verbrauchten Kalorien wieder irgendwie nachfüllen, fühle ich mich wieder mit der Welt versöhnt, radle gemütlich ins Hotel zurück, und rufe meine Frau Ulli an, um ihr einen kurzen Zwischenbericht von meiner abenteuerlichen ersten Etappe zu geben. Dann liege ich im Bett, zappe durch die Programme und hoffe, dass ich die nächsten beiden Tage mit weniger Aufregung hinter mich bringe.
2. Etappe (Mittwoch, 21.8.)
Von Traisen nach Tulln; 73 Kilometer, Fahrzeit ca. 3 Stunden, 30 Minuten
Am nächsten Morgen, als ich aus dem Fenster blicke, ist er Himmel grau. Manchmal blinzelt zwar die Sonne durch, aber viel zu melden hat sie offenbar nicht. Ich gehe hinunter zum Frühstück. Das finde ich in einem Lokal, das nur am Vormittag geöffnet hat und gleichzeitig ein Kaffeehaus und eine Bäckerei sein sollte, aber die Bäckerei ist – so wie es aussieht – nicht mehr in Betrieb. Damit kann ich leben, vor allem, weil sich das Frühstück als vielfältig und gut erweist. Das Kaffeehaus füllt sich langsam mit den letzten Hotelgästen und den ersten Einheimischen, die auf einen Kaffee vorbeischauen.
Ich lasse mir Zeit. Vielleicht wird das Wetter ja besser – eine Hoffnung, die sich nicht erfüllt – außerdem habe ich keinen Stress. Knapp über 70 Kilometer sollen es heute werden, ohne Berg und ohne große Orientierungsprobleme – den Traisental-Radweg bis zur Donau, den Donau-Radweg bis nach Tulln. Die schwierigste Aufgabe wird wahrscheinlich, das Hotel zu finden.
Ich bezahle meine Zimmerrechnung, trinke noch einen Kaffee. Dann gehe ich hinauf, ziehe mich um, packe meine Sachen zusammen und mache mich um halb zehn auf den Weg. Der Reifen ist in Ordnung, die Motivation auch, das Wetter lässt aber immer noch zu wünschen übrig. Bewölkt, wechselhaft und entsprechendes Regenrisiko.
Sightseeing lasse ich entfallen. Nachdem ich aus dieser Ecke des Mostviertels komme – das ist sozusagen meine Hood –, kenne ich die Gegend ohnehin. Am Traisental-Radweg geht es nach Norden – bis nach Wilhelmsburg, meine Heimatstadt, kurz überlege ich, meinen Bruder zu besuchen, entscheide mich aber dagegen. Es läuft gut, und ich möchte jetzt, nach einer halben Stunde, nicht schon eine Pause machen. Also weiter. St. Georgen – St. Pölten – hier könnte ich einen Abstecher zu meiner Mutter machen. Das gleiche Problem. Ich fahre daher weiter.
- Traisental-Radweg
- Traisen
- an der Donau
Der Weg neben der Traisen ist idyllisch und ruhig. Kaum Leute unterwegs, gerade ein paar Spaziergänger mit und ohne Hund, manchmal ein Läufer. Keine Radler. Ich rolle gemütlich dahin, es geht sanft bergab. Die Schinderei gestern über den Sonnenhang und die anschließenden Hügel ist vergessen. Alles läuft perfekt.
In St. Pölten komme ich am Campinggelände des Frequency vorbei, einem Musikfestival, das am Wochenende zuvor stattgefunden hat. Da werden gerade die Reste aufgeräumt. Es sieht immer noch aus, wie auf einem Schlachtfeld. Müllberge, zurückgelassene Ausrüstung, und das Material, mit dem die Menschenmassen in Zaum gehalten wurden, vieles davon liegt noch herum und ich muss beim Vorbeifahren aufpassen, dass ich nicht mit irgendetwas kollidiere. Zwei Tage später wird hier irgendwo eine 53-jährige Joggerin von einem Gabelstapler erfasst und getötet werden. Doch jetzt ist es nur mühsam da durchzufahren.
Als ich es geschafft habe und am Landhausviertel vorbeikomme, beginn es zu regnen. Leicht zunächst, ich denke, dass das schnell wieder aufhören wird. Wird es aber nicht. Es regnet gerade so viel, dass es lästig ist, aber man nicht die Regenkleidung anziehen will. Schließlich gebe ich auf und ziehe eine Jacke an. Auf die Regenhose verzichte ich. Das Wetter kann sich nicht entschieden – zu meinem Glück – ob es nässer oder trockener werden soll. Es nieselt so die nächsten Kilometer dahin, bis ich nach Traismauer komme.
Eigentlich hätte ich eine Runde durch die Stadt fahren und vielleicht irgendwo einen Kaffee trinken wollen, angesichts des Wetters verzichte ich darauf. Schließlich stehe ich am Ende des Traisental-Radwegs an der Donau. Inzwischen hat das Wetter sich entschieden, trocken zu werden. Einen Moment lang überlege ich, nach Traismauer zurückzufahren – wegen dem Kaffee – entscheide mich aber dagegen. Es gibt sicher noch andere Möglichkeiten.
- am Donau-Radweg
- am Donau-Radweg
- ex-AKW-Zwentendorf
Daher – Regenjacke ausziehen und weiter. Die Trockenphase nutzen. Auf dem Donau-Radweg ist genauso wenig Verkehr wie an der Traisen. Das gefällt mir. Der Weg entlang dem rechten Ufer, manchmal zweigt er ab und führt durch Auwald, vorbei an Altarmen. Idylle pur. Bis ich am Kraftwerk Altenwörth vorbeikomme und kurze Zeit später vor dem Betonklotz des ehemaligen AKW-Zwentendorf stehe, genau genommen daran vorbeifahre.
Während meiner Zeit in der Abendschule machten wir eine Exkursion in das Kraftwerk, das nie Kraftwerk sein durfte, und ich kann mich erinnern, dass wir damals im Atomreaktor gestanden sind. Das war Mitte der 1980er-Jahre. Mittlerweile beherbergt das Areal eine große Photovoltaik Anlage und Anfang der 2000er-Jahre war im Verwaltungsgebäude eine Gendarmerieschule untergebracht, soweit ich weiß. Außerdem dient die Anlage in unterschiedlichen Zusammenhängen als Ort für Kulturveranstaltungen.
Zwischen AKW und Radweg gibt es ein Lokal, das – wie ich sehe – von Radlern gut besucht ist. Die Bikes stehen in Zweierreihe davor. Die Lust auf Kaffee ist mittlerweile der nach einem Bier oder Radler gewichen. Trotzdem bleibe ich nicht stehen. Zu groß ist mir die Gefahr, dass mich jemand fragen könnte, woher ich komme. Angesichts meiner Packtaschen würde ich wahrscheinlich als Donau-Radwegfahrer eingestuft werden. Diese Fehleinschätzung korrigieren und die unweigerlich danach anschließenden Fragen beantworten zu müssen, möchte ich mir dann doch lieber ersparen. Außerdem gibt es schöner Orte für ein Bier, als mit dem Blick auf eine Kraftswerksruine.
Darüber hinaus zeigt sich jetzt zaghafter Sonnenschein, den möchte ich ausnutzen. Auf dem Radweg ist immer noch überraschend wenig los. Keine Rede davon, dass der Donau-Radweg überlaufen wäre. Zumindest jetzt nicht. Kurz nach Zwentendorf, bei Kleinschönbichl, ist es dann auch endgültig mit der Idylle vorbei. Der Weg verlässt die Donau, zieht sich die letzten fünf, sechs Kilometer am Rande des wenig attraktiven Tullnerfelds neben Landstraßen und durch Dörfer entlang bis nach Tulln. Dort dann noch einmal kurz entlang der Donau bis ich plötzlich auf der Donaulände stehe, quasi am Tullner Donauufer mit Blick auf die Donaubühne. Das ist jetzt echt schnell gegangen, denke ich, und fahre ein Stück zurück bis zum Alpenvereinshaus, wo ich mich in den Gastgarten setze und endlich das lang ersehnte Bier trinke.
- durchs Tullnerfeld
- Donaubrücke Tulln
- Nibelungendenkmal
Das Wetter hält bis jetzt und nach dem Bier fahre ich ins Hotel, einem der besseren Häuser in Tulln, wie ich später am Preis merke. Einchecken, Fahrrad in den Fahrradraum und hinauf ins Zimmer. Wenig später beginnt es zu regnen, aber so richtig, hört auf, beginnt wieder, aber das stört mich nicht mehr. Es ist jetzt kurz vor drei Uhr nachmittags, ich stelle mich mal unter die Dusche, döse ein wenig auf dem Bett, nutze dann eine Regenpause, streune durch Tulln, viel an Sehenswertem gibt es ohnehin nicht. Auf der Suche nach einem Lokal, in dem ich etwas essen kann, gönne ich mir zunächst ein Eis – man kann ja auch mal mit dem Dessert anfangen – und finde dann eine kleine Pizzeria, die gerade ihre Pforten öffnet. Die Frage, ob im Garten oder im Lokal, wird durch einen Regenguss schnell entschieden. Ich bin der erste Gast in der Pizzeria, die sich aber schnell füllt. Nach dem Essen warte ich eine Regenpause ab und marschiere zum Hotel zurück. Danach folgt die übliche Abendroutine: Telefonat mit Ulli, fernsehen und durch die Programme zappen, bis mich die Müdigkeit überkommt.
3. Etappe (Donnerstag, 22.8.)
Von Tulln nach Traiskirchen; 80 Kilometer, Fahrzeit ca. 4 Stunden, 30 Minuten
Am nächsten Morgen scheint die Sonne, kein Regen, alles trocken. Da steigt die Vorfreude gleich um einen Level. Runter zum Frühstück. Im Frühstücksraum sitzen fast ausschließlich Radler, einige Geschäftsleute, eine Familie, die sich offenbar, keine Ahnung warum, auch nach Tulln verirrt hat. Mich erwartet ein tolles 4-Sterne-Buffet. An dem fülle ich mal meine Speicher bis zum Anschlag auf.
Die heutige Etappe sind etwa 80 Kilometer, vier bis fünf Stunden Fahrt, alles easy. Nach dem Frühstück das übliche Prozedere: rein in die Radkleidung, die Taschen packen, auschecken, Rad holen, und dann fahre ich los.
Es ist 09.30 Uhr, ich mache noch schnell ein paar Fotos und es geht ab Richtung Wien. Auf dem Donau-Radweg ist noch wenig los. So wie gestern, ein paar Spaziergänger, Läufer, wenig Radfahrer. Gut so. Ich bin voll motiviert, habe gut geschlafen, spüre körperlich auch die letzten beiden Tage nicht.
Ich komme am Aubad vorbei, dort war ich mal vor Jahrzehnten, als die Kinder noch klein waren, habe aber kaum noch Erinnerungen daran. Weiter geht’s. Links die Donau, träge und ruhig, schon vom Kraftwerk Greifenstein aufgestaut. Rechts die Reste eines Auwalds, unterbrochen manchmal vom Blick auf Kleingartensiedlungen. Der Radweg meist gerade, eigentlich ziemlich langweilig, aber dafür dann man es rollen lassen und ein bisschen seinen Gedanken nachhängen, so richtig in den Flow kommen.
Bald taucht links am Horizont die Silhouette der Burg Kreuzenstein auf, dann bin ich in Greifenstein. Vorbei ist es damit, die Gedanken schweifen zu lassen. Jetzt gilt es, sich wieder auf den Weg zu konzentrieren. Links das Kraftwerk, rechts ein Donau-Altarm, auf der anderen Seite bereits die Burg Greifenstein. Noch einmal geht es durchs Grüne, vorbei an Kritzendorf mit einer Feriensiedlung und Häusern auf Stelzen zum Schutz vor Hochwasser.
- Donau-Radweg mit Blick zur Burg Kreuzenstein
- Einfahrt nach Wien
- Idylle auf der Donauinsel
Dann komme ich nach Klosterneuburg. Dort durch verbautes Gebiet, entlang der Donau, vorbei am Leopold Museum. Das Stift und die charakteristischen Doppeltürme der Stiftskirche sind deutlich sichtbar. Eine Stunde unterwegs. Wäre ich jetzt ein Tourist, würde ich natürlich abbiegen und nach Klosterneuburg hineinfahren, um was weiß ich zu besichtigen und eine kleine Pause zu machen. Aber das steht nicht auf meinem Plan. Daher fahre ich weiter, schlängle mich durch die Stadt, passe auf, mich nicht zu verfahren. Ich komme wieder an der Donau, gegenüber sehe ich bereits das Nordende der Donauinsel. Jetzt bin ich also in Wien und habe bereits die ersten 30 Kilometer abgespult.
Je näher ich der Großstadt komme, desto dichter wird der Verkehr auf dem Donauradweg. Ab Greifenstein entwickelt er sich zur Nahkampfzone. Alle möglichen Leute sind unterwegs. Und es bestätigt sich dabei, was man immer wieder hört: dass (Renn-)Radfahrer nicht immer die Rücksichtsvollsten sind. Kurz vor der Schleuse Nußdorf fahre ich an einer Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe vorbei. Gut ein halbes Dutzend liegt hier vor Anker. Die Passagiere werden wahrscheinlich gerade mit Bussen durch Wien gekarrt.
Bei der Schleuse Nußdorf folge ich nicht dem Eurovelo 9. Ich habe nicht vor, durch die Stadt zu fahren, auch wenn es auf dem EV 9 bis nach Traiskirchen um zehn Kilometer kürzer ist, und wie ich es vielleicht als Tourist gemacht hätte. Das ist mir zu viel Stress. Das Gedränge bei der Einfahrt nach Wien reicht mir bereits – jetzt dürfen auch Elektromopeds, vornehmlich von Essenslieferanten, auf dem Radweg fahren, stelle ich fest. Außerdem kenne ich Wien und bin dort zwanzig Jahre lang mit dem Rad herumgefahren, das genügt.
Also bleibe ich an der Donau, werde Wien über die Donauinsel durchqueren und ostseitig umfahren. In der Ferne sehe ich bereits Donauturm und Millennium City emporragen. Über den Radweg bei der Floridsdorfer Brücke wechsle ich dann hinüber auf die Donauinsel. Die kenne ich bereits aus den 1980er-Jahre, als sie im Südabschnitt noch gebaut wurde, später, als Polizist in Floridsdorf, gehörte sie zu unserem Streifenbereich. In den letzten zwanzig Jahren bin ich aber kaum mehr hier gewesen. Umso mehr staune ich darüber, was sich inzwischen alles verändert hat. Aus einem karg begrünten Hochwasserschutz ist eine üppig bewachsene Parklandschaft geworden. Es macht Spaß da durchzufahren und die Gedanken schweifen zu lassen – so wirklich verfahren kann man sich ja nicht – und die Natur mitten in einer Millionenstadt zu genießen.
Auf dem Radweg, der unterhalb der A 23 die Donau quert, komme ich wieder auf das rechte Ufer zurück. Dabei begleitet mich ein imposanter Blick auf die Tragseilkonstruktion der Donaustadt Brücke, über die die Linie U 2 fährt, und den dahinter einsam aufragenden Marina Tower. Dann geht es noch einmal gemütlich auf Rad- und Treppelweg am Donauufer entlang bis zum Kraftwerk Freudenau. Dort ist dann aber vorerst Schluss mit lustig. Denn über die Freudenauer Hafenstraße fahre ich jetzt in den 11. Bezirk, kurve zirka 5 Kilometer durch Simmering, bevor ich nach Schwechat komme. Dann geht es eine Weile durch die Ortschaft, vorbei am Stadion, bis zum Ortsende von Schwechat.
- Donaustadt Brücke und Marina Tower
- Wegweiser
- Blick ins Wr. Becken
Dort mache ich dann doch noch eine Rast. Es ist jetzt 12.30 Uhr, und ich bin bis hierher durchgefahren. Fünfzig Meter vor mir sehe ich das Schild „Ortsende“, auf der einen Seite noch die letzten Einfamilienhäuser, auf der anderen ein Bach, an dem entlang der Radweg weiterführt. Ich setze mich auf eine Sitzgarnitur aus massivem Holz unter einem Baum, esse einen Apfel, trinke etwas und genieße die Ruhe. Jetzt sind es noch etwa 25 Kilometer, eineinhalb Stunden also noch. Und das auf vertrautem Terrain, denn diesen Radweg, der mich in die Triestingau bringt, bin ich bereits einmal gefahren.
Nach der kurzen Pause geht es frischen Mutes weiter. Zunächst nach Zwölfaxing, dann nach Himberg. Unverbautes Gebiet wechselt jetzt mit Ortsdurchfahrten und Siedlungen mit Einfamilienhäusern. Ich kann bereits den Anninger sehen – zwar noch weit entfernt, aber zumindest ein bisschen Heimat. In Himberg komme ich auf den Eurovelo 9a, der durch die Triestingau nach Leobersdorf führt, und dem ich jetzt bis nach Trumau folgen werde. Das ist eine meiner Stammstrecken, da sind also keine Orientierungsprobleme mehr zu erwarten. Meine Gedanken schweifen wieder in die Ferne, und ich trete einfach vor mich hin.
Der Nachteil auf bekannten Wegen ist jedoch, dass es nichts Neues mehr gibt, keine Überraschungen. Ich hake eine Örtlichkeit nach der anderen ab und denke jedes Mal darüber nach, wie weit es noch ist. Münchendorf – Trumau und dann hinüber nach Traiskirchen.
- Triestingau-Radweg
- am Ziel
- Traiskirchen Hauptplatz
Da komme ich um 14.00 Uhr an. Trotz der Panne am ersten Tag, war die Runde eine schöne Tour, mit etwa 80 Kilometer-Tagesetappen, die ich konditionell problemlos schaffte. In Zukunft kann ich also Unternehmungen in dieser Form öfter machen. Auch dieser Test ist gelungen. Letzte Station, bevor es nach Hause geht – das Eisgeschäft auf der Wiener Neustädter Straße, man gönnt sich ja sonst nichts, und der Hauptplatz. Und ein Finisherfoto.